Das Deuter-Urteil und die Folgen:

Markenhersteller hört die Signale!


Düsseldorf. Das Oberlandesgericht (OLG) Frankfurt hat entschieden, dass der Rucksackhersteller Deuter den Verkauf seiner Produkte via Amazon untersagen darf. Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig, und die endgültige Entscheidung bleibt womöglich dem Bundesgerichtshof oder sogar dem Europäischen Gerichtshof vorbehalten. Dennoch entfaltet das Urteil Wirkung: Mit dem Kartellsenat des OLG Frankfurt widerspricht die erste gerichtliche Institution von Rang explizit der Argumentation des Bundes­kartell­amts zu selektivem Vertrieb und Plattformverbot. Damit beleben die Richter einen von Lobbyisten des Online-Vertriebs in jüngster Zeit häufig totgesagten Diskurs. Grund genug für markt intern, das Urteil zu analysieren und zu fragen, wie namhafte Kartellrechtler das Urteil und seine Folgen bewerten:

Die Frankfurter Richter gestatten den Ausschluss einer Plattform wie Amazon, weil dem Lieferanten „damit in der Wahrnehmung des durchschnittlichen Verbrauchers ein Händler ‘untergeschoben’ wird, mit dem der Hersteller keine Vertragsbeziehung unterhält und auf dessen Geschäftsgebaren er keinen Einfluss nehmen kann“. Hervorzuheben ist auch die Argumentation der Richter in Bezug auf den Preiswettbewerb, hier tritt der Gegensatz zum Bundeskartellamt deutlich zutage: „Die Signalisierung einer gehobenen Produktqualität ist wettbewerblich gerade da geboten, wo sich diese Qualität für den durchschnittlich informierten Verbraucher schwer beurteilen lässt, wie beim Erwerb länger und intensiver genutzter Artikel, bei denen sich der Gebrauchswert erst nach einiger Zeit zeigt.“ Bei Amazon jedoch ließe die „einheitliche Darstellung aller Produkte gleich welcher Art und Qualität keinen Raum für eine Differenzierung, die das Markenimage zum Ausdruck bringt“.

Signal zur Stärkung der Vertriebsautonomie

Der markt intern-Kartellrechtsexperte Dr. Gregor Kuntze-Kaufhold erkennt im Urteil wichtige Signale zur Stärkung der Vertriebsautonomie: „Das Urteil ist eine wichtige Orientierungshilfe. Ein unqualifizierter Händler darf sich in eine funktionierende Partnerschaft auch dann nicht hineindrängen, wenn er zufällig (oder auch absichtlich!) ‘Amazon’ heißt. Zu Recht entlarvt das Gericht die Auffassung des Bundeskartellamts, Drittplattformverbote stellten eine per se verbotene Kernbeschränkung dar, als Ammenmärchen. Die darin liegende Stärkung der Vertriebsautonomie ist ein positives Signal. Ich sehe hier zum ersten Mal den ernstzunehmenden Versuch eines Obergerichts, die hergebrachten Auslegungsgrundsätze nüchtern auf eine moderne Technologie wie den Plattformvertrieb im Internet anzuwenden.“

Können Gerichte die rasante Verdrängungspraxis im Internetvertrieb noch aufhalten?

Der Münchener Kartellrechtsexperte Mark E. Orth, Rechtsanwalt und Lehrbeauftragter der deutschen Sporthochschule Köln und HTW Chur, begrüßt das Urteil des OLG, weist aber auch auf Schwächen in der Argumentation der Frankfurter Richter hin: „Für die Frage, ob das Verbot des Vertriebs über Internet-Drittplattformen im Rahmen eines selektiven Vertriebssystems zulässig ist, gibt das Urteil leider keine verlässliche Rechtssicherheit. Schon zu Beginn der Analyse macht das OLG einen fundamentalen Fehler, indem es die Anwendbarkeit des europäischen Kartellrechts für ein deutschlandweit einheitliches Vertriebssystem wie das von Deuter ablehnt. Das steht im Widerspruch zur höchstrichterlichen deutschen und europäischen Rechtspraxis. Hätte das Gericht die Anwendbarkeit europäischen Rechts bejaht, so hätte es dann gleich auch dem Vorschlag des Bundeskartellamtes folgen können und den Streit dem Europäischen Gerichtshof zur Klärung vorlegen können. … Nun ist wohl davon auszugehen, dass der Fall beim Bundesgerichtshof weitergeht und dieser ihn möglicherweise dem Europäischen Gerichtshof vorlegt. In der Zwischenzeit dürfte der Umsatz von Amazon Marketplaces weiter rasant steigen und den Markt vermutlich so verändern, dass die zu klärende Rechtsfrage dann schon längst durch die Rechtswirklichkeit entschieden ist.“

Für Marcel Rotzoll, Chefredakteur von markt intern-Sport-Fachhandel sendet das Urteil trotz aller Unwägbarkeiten ein positives Signal: „Es bleibt abzuwarten, ob die Prozessbeteiligten vor den Bundesgerichtshof ziehen werden. Immerhin kostest das Zeit, Nerven und vor allem Geld. Wünschenswert wäre es allemal. Insgesamt stellt sich dennoch die Frage, ob das Urteil nicht vielleicht sogar zu spät kommt. Denn vielerorts hat man sich mit den fachhandelsfeindlichen Vorgaben des Bundeskartellamts arrangiert. Für fachhandelsorientierte Lieferanten jedoch, welche mittels eines Selektiv-Vertriebs die Partnerschaft zu ihren Absatzmittlern vertiefen und zukunftssicher machen wollen, könnte das Urteil ein Lichtstreif am Horizont sein.“

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